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Maria brachte ihre Freundin Elisabeth, kurz Bea
genannt, zum Auto. "Also Maria, und du kommst uns in diesem Jahr auf alle Fälle besuchen! Du musst auch vorher nicht anrufen, im Haus ist immer jemand, nur komm halt! Wir würden uns so freuen!" Ivo, der Mann von Bea hupte noch einmal und weg waren ihre beiden Freunde. Maria blieb allein zurück. Lange blickte sie dem Auto hinterher. Seit fünf Jahren kannte sie die beiden.
Nach der Wende waren Maria und ihr
Mann Georg nach Dresden gezogen, da er einen
Lehrstuhl an der Universität erhalten hatte. Sie war
all die Jahre nur für ihn und die Kinder da. Doch
seit langer Zeit lebte sie nun allein. Die Kinder
waren fast aus dem Haus und studierten, und Georg
starb vor vier Jahren nach einem wiederholten
Schlaganfall. Die Ärzte versuchten Maria damals zu
trösten. "Der Stress und die viele Arbeit, das
hält ein Mensch mit Mitte sechzig, der dazu noch ein
schwaches Herz hat, auf die Dauer nicht aus!"
Maria war zum Zeitpunkt seines Todes gerade vierzig
Jahre alt. Ihre Eltern hatten sie gewarnt. "Er
ist doch viel zu alt für dich!" hatten sie
damals gesagt. Aber er war für sie schon als
Studentin der Traummann. Er war klug, männlich, zärtlich
und hatte schon lange nicht mehr die kindlichen
Flausen wie ihre Kommilitonen im Kopf. Georg, der
"eiserne Junggeselle", wie ihn seine
Studenten liebevoll nannten, konnte dem Charme und
der Jugend Marias nicht lange widerstehen. Fast
zwanzig Jahre waren sie verheiratet. Als sie
schwanger wurde brach sie das Studium ab und war ab
sofort Hausfrau und Mutter. Ihr Leben an Georgs Seite
war erfüllt und nie hat sie auch nur eine Minute
ihrer Ehe bereut.
Nach dem Tod von Georg waren ihr die beiden eine große Stütze. Sie unternahmen viel gemeinsam und wenn Ivos Verwandte zu Besuch da waren, zählte sie mit zur Familie und wurde bei keiner Feierlichkeit vergessen. So richtig allein war sie eigentlich nie. Entweder kamen die Kinder und brachten ihre schmutzige Wäsche ins "Hotel Mama" oder Bea musste sich eben schnell mal Kaffee borgen, um dann bis weit nach Mitternacht von ihrem neuesten Buch zu erzählen. Und auch Ivo fand ständig irgendetwas in ihrem Haus, was sich anscheinend zu reparieren lohnte und wenn es der Wasserhahn war, der vor Ivos Eingriff nie getropft hatte. Auf ihre Kinder und auf die Freunde konnte sie sich verlassen, es war immer jemand für sie da, aber die große Leere in ihrem Herzen, die konnte ihr niemand ersetzen.Maria wurde langsam kalt. Ein bisschen neidisch auf die beiden, die da gerade in Richtung Süden fuhren, begab sie sich zusammen mit ihrer Mischlingshündin Flocke zurück ins Haus. "So Flocke, du bist jetzt die einzige die noch da ist, komm wir schauen mal, was der Kühlschrank so zu bieten hat."
Sechs Wochen waren bereits seit der Abreise ihrer Freunde, die wie jedes Jahr von Mai bis September auf die Insel Rab, Ivos Heimat fuhren, vergangen. Ivo schwärmte oft von seiner Heimat. "Maria, du musst die Insel sehen und du möchtest nirgendwo anders mehr leben! Es sei denn, dir läuft so ein bezauberndes Wesen wie Bea über den Weg, dann nimmt man sogar das kalte Deutschland für einige Monate im Jahr in Kauf." Dabei sah er seine Frau jedes mal voller Zärtlichkeit an "Bea du bist der größte Schatz, den es nördlich der Adria zu finden gab." Wie liebevoll die beiden miteinander umgingen. Nie hatte sie ein lautes oder böses Wort zwischen den beiden gehört. In solchen Momenten vermisste Maria ihren Mann mehr denn je!
An diesem Abend wurde es noch
hektisch in ihrem Haus. Ihre Kinder, Andrea und
Andreas, die Zwillinge, kamen unverhofft. "Hallo
Mama! Wir machen nur einen Zwischenstop. Wir sind auf
den Weg in die Ferien und wollen das du mitkommst!".
Maria glaubte sich verhört zu haben. "Ihr
wolltet schon nicht mehr mit uns gemeinsam in den
Urlaub fahren, seit ihr zwölf ward und jetzt soll
ich die Anstandsdame spielen?" "Quatsch!"
erwiderte Andrea "wir fahren nach Rab, Ivo hat
uns eingeladen und uns gebeten dich mitzubringen!"
Daher wehte also der Wind. Ihre Freunde hatten Angst,
das sie zuhause versauert!
Maria hatte sich einen Sonntag als
Reisetag gewählt. Da waren nicht so viele LKW´s
unterwegs und sie wollte auch durchfahren, die über
tausend Kilometer würde sie schon schaffen.
Endlich hatte Maria Jablanac, dem Ort
an dem die Fähre war, erreicht. Vor ihr immer noch
der LKW, der anscheinend auch auf die Insel wollte
und hinter ihr der Jeep. Dadurch das sie den
Transporter nicht überholt hatte, fuhr ihr die Fähre
vor der Nase weg. Der Mann im Kassenhäuschen erklärte
ihr freundlich, das die nächste Fähre erst in einer
Stunde kommen würde, bei Bedarf vielleicht auch
etwas früher. Sie ging zum Wagen und lies Flocke
aussteigen. Diese hatte nichts besseres zu tun, als
sich den kürzesten Weg zum Wasser zu suchen und ein
Bad zu nehmen. Das Schild "Hunde verboten"
sah Maria erst später, aber das war ihr auch egal.
In diesem Moment wurde sie von einem jungen Mann
angesprochen. "Ein schöner Hund!"
Erschrocken drehte sie sich um. Maria schaute in ein
hübsches, ca. zwanzig Jahre junges Gesicht und zwei
schwarze Augen blitzten sie an. "Warum haben sie
mich eigentlich nicht überholt? Gelegenheiten hatten
sie ja genug." Maria wurde rot wie eine Erstklässlerin.
"Ja warum denn? Ich habe Zeit und bin nicht auf
der Flucht" erwiderte sie. "Das freut mich"
lachte der junge Mann, "endlich einmal ein
Deutscher der es nicht eilig hat! Darf ich mich
vorstellen? Ich bin Drago und meinen Transporter
haben sie ja schon lange bewundern können!"
Maria stutzte. "Für einen Moment hatte ich
gedacht sie sind ein Einheimischer, aber man kann
keinen Akzent hören?" Drago lächelte. "Ich
bin sogar ein waschechter Kroate, aber ich bin in
Deutschland bei meinen Verwandten aufgewachsen. Mein
Vater hatte schon immer viel im Ausland zu tun und
meine Mutter starb als ich noch sehr klein war und außerdem
studiere ich in Berlin Germanistik. Wohin fahren sie
eigentlich auf Rab?" wollte er nun wissen. Maria
überlegte kurz, ob sie einem Fremden so einfach
Auskunft geben sollte. "Ich fahre zu Freunden
nach Kampor." Dragos Augen leuchteten auf.
"Da können sie uns ja mal besuchen! Das Haus
meiner Großmutter ist ganz in der Nähe von Kampor.
Ich verbringe immer meine Ferien bei ihr und außerdem
verdiene ich mir ein paar Kuna zusätzlich. Sie
kommen doch, bitte!" Er gab ihr seine Anschrift
und eilte zu seinem LKW, denn der Hafenmeister hatte
ihn bereits das dritte mal aufgefordert auf die
inzwischen eingetroffene Fähre aufzufahren. An Deck
der Autofähre sah sie Drago nur noch kurz einmal,
als er sich mit anderen Fahrern unterhielt.
Die Fahrt nach Kampor dauerte nicht
lange. Flocke schaute aufgeregt aus dem Fenster und
jaulte leise, so nach dem Motto "komm Frauchen
halt an und geh mit mir schwimmen!" Am Ziel
angekommen fanden sie schnell das Haus der Kraliks.
Es war ein altes Haus, aber gut erhalten und machte
einen sehr gepflegten Eindruck. Allerdings sahen sie
keine Menschenseele und auch alle Türen waren
verschlossen. Maria sah sich suchend um. Aus dem
Nachbargrundstück hörte sie Stimmen. Flocke hatte
diese wohl schon eher gehört und rannte
schwanzwedelnd in das fremde Grundstück. Maria
vernahm eine Frauenstimmen. "Dobra, dobra!".
Ihr Hund saß vor einer alten Frau, die es sich im
schattigen Hof gemütlich gemacht hatte. " Du
Schlawiener, hier wird nicht gebettelt" rief
Maria. Flocke störte das Schimpfen ihres Frauchens
herzlich wenig und schwänzelte um den Korb mit
Weintrauben herum. Die alte Frau lachte. In
gebrochenem deutsch sagte sie" So ein gut Hund!
Und du seien bestimmt Frau aus Deutschland. Ivo,
Neffe von mir, hat gesagt das du vielleicht kommen.
Ich habe Schlüssel!" Als sie Sybille bemerkte
stutzte sie. "Du haben drei kind? Davon mir hat
Ivo nicht gesagt. Zwei seien schon weiter auf Insel
Cres." Maria bemühte sich um Aufklärung.
"Nein, nein. Das ist nicht meine Tochter. Das
junge Fräulein ist mir sozusagen zugelaufen."
Ivo´s Tante schaute etwas hilflos, sie hatte nicht
verstanden. "Nun, das ist noch ein Gast. Es sind
doch noch Zimmer frei?" fragte Maria. Die alte
Frau nickte. "Sie kann haben kleine Kammer oben
bei Dach, nicht groß aber du kannst schön schauen
auf Adria!"
Das Essen verlief schweigsam. Nachdem
die beiden fast alles was Küche und Keller zu bieten
hatte aufgegessen hatten wollte Maria in ihr Zimmer.
"Ich will nur schnell meine Zigaretten holen."
Bille kramte in ihrer Tasche. "Warte ich hab
welche, die gehören Ingo, rauchst du diese Sorte?"
Dankend nahm Maria an. Wenn Dr. Schlüter sie jetzt
sehen könnte, gäbe das wahrscheinlich eine mittlere
Katastrophe, aber der war ja weit weg in Deutschland
und hantierte sicherlich an seinem EKG-Gerät herum.
Am Abend, Maria und Sybille waren
nach ein kurzen Nickerchen einkaufen gewesen, kamen
Bea und Ivo von ihrem Ausflug zurück. "Ja hallo
Maria!" Stürmisch umarmte Bea ihre Freundin.
"Schön das du doch gekommen bist! Und Verstärkung
hast du auch gleich mitgebracht. Ist das junge Fräulein
die Freundin von Andreas?" Bea war neugierig wie
eine fünfjährige, dass musste wohl an ihrem Beruf
liegen. "Nein!" raunte Maria ihr leise zu
"das ist Sybille und die muss sich erst mal klar
darüber werden, was sie eigentlich will."
Entgegen Beas Naturell fragte sie nicht weiter und es
wurde noch ein wunderschöner Abend mit viel Wein und
Ivos unübertrefflichen Gesang. |